Zwingername

cropped-Header.jpgEin Sklave, der Androkles hieß, lief seinem Herrn weg, einem römischen Senator. Auf der Flucht geriet er nach Libyen, vermied die Städte und wurde von den Sternen in die Wüste geleitet. Dort suchte er in der Höhle eines Felsens Ruhe und Schutz vor der Glut der Sonne.  Diese Höhle war aber das Lager eines Löwen, und wenig später kam das Tier von der Jagd zurück. Es hatte sich einen Dorn in den Fuß getreten und litt sehr. Als der Löwe den jungen Sklaven in der Höhle fand, sah er ihn mit sanftem Blick an und begann, ihn zu umschmeicheln. Dann hielt er ihm die Pranke hin und bat ihn, so gut er es vermochte, den Dorn herauszuziehen. Androkles war zunächst sehr erschrocken. Doch als er das Tier so zutraulich fand und die Wunde an seinem Bein erblickte, zog er den Dorn heraus, der dem Löwen so große Schmerzen machte, und befreite das Tier von seiner Qual. Erfreut über diese Heilung, belohnte ihn der Löwe, indem er ihn wie einen lieben Gast behandelte und seine Jagdbeute mit ihm teilte. Das Tier verzehrte sie roh nach Art der Löwen, Androkles aber briet sie. So aßen sie von einem Tisch, jeder nach seiner Natur. Androkles lebte drei Jahre bei dem Löwen. Als ihm aber die Haare so übermäßig lang gewachsen waren, daß er das Jucken nicht länger schwendeertragen konnte, verabschiedete er sich von dem Tier und überließ sich wieder dem Zufall. So irrte er umher und wurde schließlich aufgegriffen. Als man erfuhr, wem er angehörte, wurde er gebunden und nach Rom zu seinem Herrn geschickt. Dieser zog den Sklaven zur Rechenschaft und man verurteilte ihn, den wilden Tieren vorgeworfen zu werden. Indessen war aber auch jener libysche Löwe gefangen worden, und man ließ ihn nun im Theater los – zur gleichen Zeit wie den zum Tode bestimmten Jüngling, der mit ihm Wohnung und Lager geteilt hatte. Der Mensch erkannte das Tier nicht, dieses aber erinnerte sich auf der Stelle, umschmeichelte Androkles und warf sich mit dem ganzen Körper zu seinen Füßen nieder. Nun erkannte auch Androkles seinen Gastfreund, umfaßte den Löwen und umarmte ihn wie einen alten, von der Reise kommenden Freund.Da man nun meinte, Androkles sei ein Zauberer, ließ man auch einen Panther los. Als dieser aber auf Androkles losging, verteidigte der Löwe seinen ehemaligen Arzt und Tischgenossen und zerriß den Panther. Hierüber gerieten die Zuschauer, wie es nur natürlich ist, in großes Erstaunen. Der Veranstalter des Schauspiels rief Androkles zu sich und vernahm alles von ihm. Die Geschichte kam auch unter die Menge, und als das Volk den Hergang erfahren hatte, forderte es mit lautem Geschrei die Freilassung des Mannes und des Löwen.